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Wish und Co. - Dreiecksbeziehung der schwierigsten Sorte

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Du glaubst, eine Ménage-à-trois macht das Leben kompliziert? Dann solltest du dich in der digitalen Welt von Vermittlungsportalen wie wish.com, joom.com oder Aliexpress fernhalten. Denn dabei handelt es sich um juristische Dreiecksbeziehungen der schwierigsten Art. Die fast immer zu Ärger führen.
Frau auf dem Sofa mit Laptop und Kreditkarte beim Online-Shopping
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Von Kai und Cosima, 10.2.2020

Bei eBay haben sich die meisten schon daran gewöhnt. Wir wissen, dass der Kopfhörer, den wir dort bestellen, nicht von eBay verkauft wird, sondern von cheapheadphones-irgendwas. Die Leistung von eBay beschränkt sich auf die Vermittlung. Es gibt mittlerweile immer mehr Vermittlungsportale für Kleidung, Elektronik und alles dazwischen. Die Webseiten treten dabei nicht als Verkäufer auf. Sie stellen lediglich die Plattform zur Verfügung. Die nutzt dann der eigentliche Shop, um seine Waren zu verkaufen – fertig ist die juristische Dreiecksbeziehung. 

Nicht alle Menschen, die bei einer Vermittlungsplattform einkaufen, wissen das. Viele denken, dass wish.com und Co. die eigentlichen Verkäufer sind. Wer bei einem verlockenden Angebot schnell zugreift, merkt vielleicht nicht immer, dass der eigentliche Verkäufer in China, Mosambik oder Litauen sitzt.,
 

Weltkarte mit beispielhaften Beziehungen beim Online-Shopping über Verkaufsplattformen

Dreiecksbeziehungen sind juristisch betrachtet immer schwierig. Alles wird komplizierter. Geltendes Gesetz wird quasi um die Ecke geführt. Verbraucherinnen und Verbraucher sind in Deutschland und der EU bei Onlinekäufen rein theoretisch gut geschützt. Wir haben Widerrufsrechte und das Recht auf Gewährleistung. 14 Tage nach Lieferung kann man Ware ohne Angabe von Gründen zurückgeben und Neuware muss zwei Jahre lang halten. 

Aber: Diese Rechte haben wir nur gegenüber dem Verkäufer. Die Vermittlungsplattform ist für all diese Ansprüche nicht der richtige Ansprechpartner. Und die Plattformen tun das Naheliegende: Sie machen es sich einfach. Sie geben vielleicht noch ein paar freiwillige Garantien oder begrenzte Rückgabemöglichkeiten nach ihren eigenen Regeln. Und immer, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher zu sehr auf ihre Rechte beharren, lässt sich das elegant abbügeln: „Wir sind hier nicht der Verkäufer, da müssen Sie sich an den Verkäufer wenden.“

Kaum zu glauben: Die Verbraucherzentrale Brandenburg erhielt Beschwerden, weil die Wish-Konten von Verbraucherinnen und Verbrauchern gesperrt wurden. Der Grund: übermäßig viele Rückerstattungsversuche. Die Betroffenen konnten den Support nicht mehr kontaktieren. Weiter einkaufen war allerdings noch möglich – um den guten Ruf wieder herzustellen. Klingt nach einer großartigen Idee.

Wir starten den Selbstversuch.
Wir möchten bei wish.com Kopfhörer für 27 Euro kaufen. Sieht aus wie ein fairer Deal. Der Verkäufer heißt JinFan. Aber wo sitzt er und wie kann ich ihn erreichen? 


Screenshot eines Angebots für Kopfhörer auf der Bestellplattform Wish

Wenn der Wish-Support uns in einem Reklamationsfall nicht weiterhilft, brauchen wir diese Informationen. Die besten Verbraucherrechte nützen gar nichts, solange wir nicht wissen, an wen wir uns überhaupt wenden können, um unsere Rechte geltend zu machen.

Bei eBay ist das  normalerweise recht einfach zu erkennen, ein Klick auf den Verkäufernamen genügt. Bei Wish wird es schwierig. Dabei gilt die Impressumspflicht auch für JinFan, es müssten also vollständige Informationen einschließlich schneller Kontaktmöglichkeiten wie E-Mail und Telefon bereit stehen.

„Gut, die Kopfhörer kosten ja auch nur 27 Euro. Probieren wir’s aus!“, könnte man denken. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Da die Ware häufig aus dem Ausland kommt, werden oft auch beträchtliche Versandkosten fällig, in unserem Beispiel sind es 7 Euro. Schon sind wir insgesamt bei 34 Euro. Und wann die Ware ankommt? So richtig will man sich wohl nicht festlegen. Könnte nächste Woche sein oder in mehr als einem Monat.

Screenshot Lieferzeit auf der Plattform Wish

Mögliche Folgen bei langen Versandzeiten: Immer wieder berichten Verbraucherinnen und Verbraucher, dass das Mahnschreiben vom Inkassobüro ins Haus flattert, bevor das Paket überhaupt angekommen ist. Aus den 34 Euro können durch Inkassokosten dann auch schnell über 100 Euro werden (Inkassokosten sind nochmal ein Thema für sich).

Mit etwas detektivischem Eifer finden wir dann doch noch eine Adresse von JinFan. E-Mail-Adresse oder Telefonnummer Fehlanzeige, aber offenbar sitzt der Laden in China. China ist nicht EU. Damit drohen Zoll und Einfuhrumsatzsteuer. Auch wenn man das im Warenkorb nicht sieht. Nach der Bestellung kann es gut sein, dass der Zoll das Paket erst rausrückt, wenn die Mehrwertsteuer bezahlt ist. Macht noch einmal 19 Prozent mehr – dann wären wir inzwischen bei über 40 Euro. 

Screenshot Shop-Info auf der Bestellplattform Wish (31.1.2020)

40 Euro für Bluetooth-Kopfhörer klingen vielleicht sogar noch ganz reizvoll. Falls sie etwas taugen sollten. Aber was, wenn die Kopfhörer schnell den Geist aufgeben? Gewährleistung gibt es zwei Jahre lang. In China von JinFan. 

Was, wenn ich das Paket also zurückschicken muss? Schlanke 42,99 Euro kostet das mit Sendungsverfolgung, kaum mehr als die Kopfhörer insgesamt gekostet haben. Wenn die Kopfhörer in der Gewährleistungszeit kaputt gehen sollten, muss der Händler auch die Versandkosten zahlen. Wenn er sich weigert, hilft dieses Recht nichts. Dann bleibt eigentlich nur noch die Option, ein Gerichtsverfahren zu führen. Wegen 40 Euro. 

Ob 5 oder 40 Euro – es ist viel Geld, um damit Waren zu kaufen, die möglicherweise direkt im Müll landen. Von der Umweltbelastung durch Flug, Produktion und Entsorgung mal ganz abgesehen.  

Unsere Empfehlung ist deshalb klar: Investiere lieber etwas mehr für Produkte aus einer vertrauenswürdigen Quelle. Die begleiten dich sehr wahrscheinlich viel länger und machen dich wishlos glücklich. Und falls nicht: Bei einem Verkäufer in Deutschland oder der EU hast du viel bessere Möglichkeiten, deine Rechte einzufordern. 

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