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Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten sicherstellen

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz eines Gesetzes über den Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten für Verbraucher - Umsetzung der Vorgaben des Art. 36 Absatz 1 und 4 Satz 2 der Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie EU 2023/2225 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 2008/48/EG,
nachfolgend Verbraucherkreditrichtlinie - neu)

I. Einleitung
Die Verbraucherzentrale Hessen e.V. ist eine unabhängige und gemeinnützige Organisation. Schwerpunkte der Arbeit der Verbraucherzentrale sind Beratung, Information und Aufklärung sowie Bildung zu den Themen Verbraucherrecht, Gesundheit und Pflege, Lebensmittel und Ernährung, Finanzen und Versicherungen, Digitale Welt und Energie. Sie vertritt die Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber Unternehmen, Politik und Verbänden. Darüber hinaus setzt sie Verbraucherrechte stellvertretend für die Verbraucher:innen durch kollektive Rechtsdurchsetzung durch.

Die Verbraucherzentrale Hessen bietet an zwei Standorten kostenlose rechtlich-wirtschaftlich orientierte Schuldner- und Insolvenzberatung an.

Die Beratungsstellen in Fritzlar mit Außenberatung in Neukirchen und Gudensberg sowie Rüsselsheim mit Außenberatung in Riedstadt haben die Aufgabe, in Ver-/Überschuldung und finanzielle Not geratene Hilfesuchende (Berufstätige, Azubis, Rentner, Sozialleistungsbeziehende sowie Personen ohne eigene Einkünfte) zu beraten, sie gegenüber Gläubigern zu vertreten bzw. einen außergerichtlichen Interessenausgleich zwischen Gläubigern und Schuldnern herbeizuführen. 

Zielsetzung der Arbeit ist die Sicherung der Existenz der Ratsuchenden, um darauf aufbauend eine dauerhafte Entschuldung zu erreichen. Neben der entsprechenden Rechtsberatung und Rechtsbesorgung werden die psychosoziale Stabilisierung und die Vermittlung finanzieller Alltagskompetenzen angestrebt.

Die Schuldnerberatungsstellen sind als “geeignete Stelle“ nach § 305 der Insolvenzordnung (InsO) von der zuständigen Behörde (Regierungspräsidium) anerkannt. Sie informieren und beraten zum Verbraucherinsolvenzverfahren und unterstützen bei der Vorbereitung und Einleitung des
Insolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung. Daneben sind die Beratungsstellen fallübergreifend tätig, beispielsweise durch Teilnahme in Gremien und Arbeitskreisen, oder indem sie bei der Vernetzung der Beratungsleistung für Überschuldete mitwirken.

Am Standort Fritzlar ist die Schuldnerberatung im Schwalm-Eder-Kreis für 95.673 Einwohner, am Standort Rüsselsheim im Kreis Groß-Gerau für 287.968 Einwohner zuständig. Die Beratungsstellen bieten ihre umfangreichen Leistungen persönlich vor Ort, telefonisch als auch digital (Videoberatung) an.

In den Schuldnerberatungsstellen der Verbraucherzentrale Hessen sind die Beratungszahlen in den letzten Jahren massiv von 1.754 Fällen im Jahr 2019 auf 2.469 Fälle im Jahr 2024 um 41% angestiegen. Nach den Erwartungen der Verbraucherzentrale Hessen wird sich dieses erhebliche Wachstum des Bedarfs an Schuldnerinnen- und Schuldnerberatung fortsetzen und mit der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie nochmals erhöhen. 

Dabei ist zu beobachten, dass die Beratungen immer zeit- und arbeitsintensiver werden, da die Hilfesuchenden vermehrt multiple Problemlagen aufweisen (Schulden, Krankheit/Sucht, familiäre Probleme, prekäre Wohnverhältnisse) und eine Zunahme von psychischen Belastungen und Krankheitsbildern festzustellen ist.

II. Europarechtliche Grundlage der geplanten Regelung [1]

Die umzusetzende „Verbraucherkreditrichtlinie – neu“ verbessert den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Ver- und Überschuldung durch Kredite. So gelten die Schutzregelungen und Informationspflichten bei der Kreditvergabe auch für Kleinkredite, Überziehungskredite, unentgeltliche Kredite sowie kurzfristige Kredite mit geringen Kosten.

Erstmals enthält die Richtlinie auch eine Regelung zu Schuldnerberatungsdiensten. Die EU-Mitgliedstaaten müssen künftig sicherstellen, dass für Verbraucherinnen und Verbraucher mit finanziellen Schwierigkeiten unabhängige Schuldnerberatungsdienste kostenlos oder zu begrenzten Gebühren zur Verfügung stehen. Zudem wird der Schutz vor Ver- und Überschuldung dadurch verbessert, dass Kredite nicht mehr ohne positive Kreditwürdigkeitsprüfung vergeben werden dürfen.

Die künftige Rolle der Schuldnerberatungsdienste in den EU-Mitgliedsstaaten wird in Artikel 36 Abs. 1 bis 4 der Richtlinie geregelt:

Schuldnerberatungsdienste [2]

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Verbrauchern, die Schwierigkeiten bei der Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen haben oder haben könnten, unabhängige Schuldnerberatungsdienste, für die nur begrenzte Entgelte zu entrichten sind, zur Verfügung gestellt werden.

(2) Zur Erfüllung der Verpflichtungen gemäß Absatz 1 verfügen die Kreditgeber über Verfahren und Strategien zur frühzeitigen Erkennung von Verbrauchern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Kreditgeber Verbraucher, die Schwierigkeiten bei der Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen haben, an Schuldnerberatungsdienste verweisen[3], die für den Verbraucher leicht zugänglich sind.

(4) Die Kommission legt bis zum 20. November 2028 einen Bericht mit einem Überblick über die Verfügbarkeit von Schuldnerberatungsdiensten in allen Mitgliedstaaten vor, in dem bewährte Verfahren für die weitere Entwicklung dieser Dienste benannt werden. Die Mitgliedstaaten erstatten der Kommission bis zum 20. November 2026 und danach jährlich Bericht über die verfügbaren Schuldnerberatungsdienste.

Anspruch auf Schuldnerberatung

Für die Schuldnerberatung hat Artikel 36 Abs. 1 eine bedeutende Wirkung. Daraus ergibt sich erstmals ein Anspruch auf Schuldnerberatung für alle Verbraucher in den EU-Mitgliedsstaaten, da diese zur Sicherstellung von Schuldnerberatung verpflichtet werden. Aber nicht nur das.

In Absatz 1 ist auch ein präventiver Ansatz zur Vermeidung von Überschuldung enthalten, da Schuldnerberatung auch für Verbraucher, die potenziell in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten, zur Verfügung gestellt werden muss.

Die Schuldnerberatungsdienste müssen unabhängig sein und dürfen für ihre Tätigkeit allenfalls ein „begrenztes Entgelt“ entgegennehmen.

Artikel 36 Abs. 3 verpflichtet Kreditgeber, bei finanziellen Schwierigkeiten ihrer Kunden, diese an „leicht zugängliche“ Schuldnerberatungsstellen zu verweisen. Durch diese Verpflichtung werden künftig Finanzdienstleistende unmittelbar mit Schuldnerberatungsdiensten verknüpft.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 23. Juni 2025 den Entwurf eines Schuldnerberatungsdienstegesetzes veröffentlicht. Das Gesetz soll den Zugang zu beratenden Stellen sicherstellen und EU-Vorgaben zu Schuldnerberatungsdiensten umsetzen.

III. Positionen und Forderungen der Verbraucherzentrale Hessen 

Die Verbraucherzentrale Hessen bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes über den Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten (Schuldnerberatungsdienstegesetz – SchuBerDG).

Mit dem Schuldnerberatungsdienstegesetz wird erstmals in einem Bundesgesetz ein Zugang zu unabhängiger Schuldnerberatung für alle Verbraucherinnen und Verbraucher verankert. Die Verbraucherzentrale Hessen begrüßt dies. Allerdings bleibt der Referentenentwurf des BMJV aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Viele Fragen, die zum Teil bereits im Vorfeld der Vorlage des Referentenentwurfs diskutiert wurden, sind nach wie vor offen.

1. Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung verankern

Aus Artikel 36 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie lässt sich ein Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Schuldnerberatung ableiten. Aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen wird dieser Anspruch durch das Gesetz nicht umgesetzt. 

Das Bundesjustizministerium (BMJV) geht selbst davon aus, dass nicht alle Verbraucher Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten nach dem neuen Schuldnerberatungsdienstegesetz (SchuBerDG) Gesetz haben werden – insbesondere nicht in überschaubarer Zeit. [4] Hinsichtlich des Zugangs zu Beratungsangeboten und der laut EU-Richtlinie vorzuhaltenden Schuldnerberatungsdiensten soll nach dem Referentenentwurf auf die vorhandene Struktur zurückgegriffen werden können. Bislang fehlt es allerdings an einer bundesweit ausreichenden Struktur, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

2. § 1 – Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten konkretisieren

Laut Erwägungsgrund 81 steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, spezielle Anforderungen für Schuldnerberatungsdienste beizubehalten oder einzuführen. Der Referentenentwurf lässt bislang jegliche Qualitätsvorgaben außen vor. 

§ 1 sollte dahingehend ergänzt werden, dass die Länder nicht nur sicherstellen müssen, dass unabhängige, sondern auch qualifizierte und leicht zugängliche Schuldnerberatungsdienste zur Verfügung stehen.[5]

3. Definition der Schuldnerberatungsdienste nachbessern (§ 2 SchuBerDG-RefE – „psychosozial“ statt „psychologisch“)

Entsprechend der EU-Richtlinien-Vorgabe definiert der Referentenentwurf in § 2 SchuBerDGRefE die Schuldnerberatungsdienste als individuelle fachliche, rechtliche oder psychologische Unterstützung. Im Zeichen dieses ganzheitlichen Beratungsansatzes soll sie denjenigen Verbrauchern gegenüber erbracht werden, die Schwierigkeiten bei der Erfüllung ihrer finanzellen Verpflichtungen haben oder haben könnten.

Das ganzheitliche Beratungsangebot ist darauf ausgerichtet, Hilfe suchenden Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Unterstützung bei der wirtschaftlichen Sanierung sowie der Wiedererlangung psychosozialer Stabilität zu bieten. Neben rechtlicher und wirtschaftlicher Beratung ist gerade die psychosoziale Stabilisierung Voraussetzung für eine nachhaltige Entschuldung. Von Angeboten der Schuldnerberatung zur psychosozialen Stabilisierung
abzugrenzen ist eine psychologische Beratung, die nur durch psychologisches Fachpersonal in spezialisierten Beratungs- und Betreuungsangeboten geleistet werden kann.

Die Verbraucherzentrale Hessen ist daher der Auffassung, dass die unscharfe Formulierung „psychologisch“ in § 2 SchuBerDG-RefE durch den Begriff „psycho-sozial“ ersetzt werden sollte. Die einzelnen Beratungsoptionen müssen zudem kumulativ erbracht werden.

4. Entgeltgrenzen (§ 3 SchuBerDG-E) streichen

Die Verbraucherzentrale Hessen fordert, von der Einführung der Möglichkeit einer Entgeltberechnung für Schuldnerberatungsdienste und einer entsprechenden Entgeltbegrenzung abzusehen (siehe § 3 SchuBerDG-E, der demzufolge zu streichen ist).[6] 

Bundesweit gibt es derzeit fast 1.400 Schuldnerberatungsstellen. Diese befinden sich in kommunaler Trägerschaft oder in der Trägerschaft gemeinnütziger Organisationen, wie beispielsweis der Verbraucherzentralen der Länder, die explizit in § 4 Abs. 2 SchuBerDG-E Erwähnung finden. Sie beraten Ratsuchende ganz überwiegend kostenlos. Um diese Praxis nicht zu gefährden, sieht der Entwurf vor, dass Schuldnerberatungsdienste grundsätzlich kostenlos, höchstens jedoch gegen ein begrenztes Entgelt angeboten werden sollen.

Die allgemeine Zielrichtung von Artikel 36 Absatz 1 der Richtlinie ist, dass ein etwaig erhobenes Entgelt nicht als Hindernis zum Zugang zu Schuldnerberatungsdiensten wirken darf und keine unnötige Belastung des Verbrauchers darstellen sollte.

In der Begründung des Referentenentwurfs wird ausgeführt, dass die bisherige, weit verbreitete Praxis von Schuldnerberatungsstellen, Verbraucherinnen und Verbraucher grundsätzlich kostenlos zu unterstützen, beibehalten werden soll.[7] 

Die Verbraucherzentrale Hessen begrüßt dies. Allerdings widerspricht die gleichzeitige Normierung einer möglichen Entgeltpflicht den klar formulierten Zielsetzungen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Dort heißt es:

"Wir stärken in Absprache mit den Ländern den vorsorgenden Verbraucherschutz, die nicht interessengeleitete Verbraucherbildung (Ernährung, Finanzen, Digitales) und eine kostenlose Schuldnerberatung, die niemanden ausschließt."[8]

Die Verbraucherzentrale Hessen fordert eine vollständige Entgeltfreiheit. Schuldnerberatungsdienste müssen allen Verbraucherinnen und Verbrauchern kostenlos zur Verfügung stehen. Dies lässt sich auch mit Blick auf die erforderliche Vollharmonisierung umsetzen. Im Übrigen wäre die Überprüfung der Einhaltung etwaiger Entgeltgrenzen in der Praxis kaum durchführbar. 

Nach alledem hält die Verbraucherzentrale Hessen – über die Beibehaltung des Status quo hinaus – einen Ausbau der kostenfreien Schuldnerberatung im Sinne der Verbraucher für gesamtgesellschaftlich wichtig und insofern dringend erforderlich. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die zusätzlichen Anforderungen, die eine Umsetzung des Art. 36 über Absatz 1 und 4 hinaus mit sich bringen wird. [9] 

5. Anforderungen an Schuldnerberatungsdienste konkretisieren (§ 4 SchuBerDG-E)

Mit Blick auf den Schutz der Verbraucherinteressen und die Komplexität der Beratungsfelder müssen die Qualitätsanforderungen an das für Schuldnerberatungsdienste tätige Personal gesetzlich verankert und der bisherige § 4 SchuBerDG-E konkretisiert werden. Neben der Unabhängigkeit muss sichergestellt sein, dass der jeweilige Schuldnerberatungsdienst über hinreichend persönlich und fachlich qualifiziertes Personal verfügt.

Insofern gilt das bereits unter Ziffer 1 Gesagte: Die Mitgliedstaaten haben laut EU-Verordnung die Möglichkeit, spezielle Anforderungen für Schuldnerberatungsdienste beizubehalten oder einzuführen.

Zwecks Konkretisierungen im Detail empfiehlt sich eine Öffnungsklausel für ergänzende landesrechtliche Regelungen.

6. Begrenzte Kapazitäten, (regionale) Angebots-Lücken und künftiger Bedarf müssen Berücksichtigung finden

Das BMJV verweist in seinen Begründungen auf die in Deutschland bereits bestehenden rund 1400 Schuldnerberatungsstellen in unterschiedlicher  Trägerschaft, auf die im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie zurückgegriffen werden könne. Das BMJV weist aber auch darauf hin, dass nicht auszuschließen sei, dass das bestehende Angebot regional Lücken aufweise. Dies bestätigt auch eine Umfrage der der AG SBV, die auf eine stetig steigende Zahl der Ratsuchenden mit häufig verbundenen langen Wartezeiten hinweist (https://www.agsb.de/2023/06/umfrage-zur-aktionswoche-schuldnerberatung-inflationtreibt-ueberschuldungsrisiko-und-nachfrage-nach-beratung-in-die-hoehe-2/)[10]

Wie bereits dargestellt, ist im umzusetzenden Art. 36 Absatz 1 ein präventiver Ansatz zur Vermeidung von Überschuldung enthalten, da Schuldnerberatung zukünftig bereits für Verbraucher, die potenziell in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten, zur Verfügung gestellt werden muss. Es sind also nicht lediglich Fälle, in denen Verbraucher beispielsweise in die Situation der Überschuldung geraten sind und vor einer umfassenden Schuldenbereinigung oder gar Verbraucherinsolvenz stehen, weil sie über einen längeren Zeitraum nicht mehr in der Lage waren, fällige Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen.

Hinzu kommen die neuen Obliegenheiten der Kreditgeber, die sich aus Art. 36 Abs. 2 und 3 ergeben (Einführung von Verfahren und Strategien zur frühzeitigen Erkennung von Verbrauchern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, sowie Verweis an Schuldnerberatungsdienste, wenn finanzielle Schwierigkeiten lediglich drohen). 

Es ist deswegen zu erwarten, dass die Zahl der Ratsuchenden, die sich an die Schuldnerberatung wenden, als Folge dieses präventiven Ansatzes der Richtlinie weiter steigen wird. Ohne eine finanzielle und damit einhergehend auch personelle Aufstockung der Bestands-Beratungsstellen und eine darüber hinausgehende Erweiterung der Beratungskapazitäten sind diese zusätzlichen Aufgaben nicht zu bewältigen.

a. Weiter Anwendungsbereich des Art. 36 muss Berücksichtigung finden

Welche Schwierigkeiten gemeint sind, grenzt Art. 36 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie nicht ein. Es geht um alle Schwierigkeiten, die sich auf die Erfüllung finanzieller Verpflichtungen beziehen. Die sicherzustellende individuelle und unabhängige Unterstützung kann Rechtsberatung, Geld- und Schuldenmanagement sowie soziale und psychologische Unterstützung umfassen. Der Beratungsbegriff des Art. 36 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie ist mithin der einer umfassenden Schuldnerberatung, die nicht auf spezifisch ökonomische Aspekte enggeführt werden darf.

Dementsprechend weit ist der Anwendungsbereich. Der Referentenentwurf (siehe §§ 1 und 2 SchuBerDG-E) wird dem in der jetzigen Fassung nicht gerecht.

Art. 36 der Richtlinie beschränkt sich nicht nur auf die klassischen Schuldnerberatungsdienstleistungen und Fallkonstellationen. Dementsprechend sehen die Absätze 2 bis 4 auch weitergehende Vorkehrungen und Voraussetzungen vor, die etwa Kreditgeber zu berücksichtigen haben (unter anderem die Einführung von Verfahren und Strategien zur frühzeitigen Erkennung von Verbrauchern, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind). Diese bleiben im Referentenentwurf weitgehend unberücksichtigt, werden aber mit Blick auf den Vollharmonisierungsgedanken gleichwohl verbindlich werden müssen (siehe dazu nachfolgend unter Ziffer 3.2.); sie müssen daher im Kontext mit der Umsetzung der Verpflichtungen aus Art. 36 Absatz 1 und 4 Satz 2 gesehen werden.

b. Kreditgeber müssen verweisen (Art. 36 Abs. 3) was eine deutlich steigende Nachfrage erwarten lässt

Gemäß Art. 36 Abs. 3 der EU-Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicher zu stellen, dass Kreditgeber Verbraucher, die Schwierigkeiten bei der Erfüllung ihrer finanziellen Verpflichtungen haben, an Schuldnerberatungsdienste verweisen, die für den Verbraucher leicht zugänglich sind. 

Auch diese Verpflichtung der Banken, Kreditinstitute und anderer Anbieter (z.B. Anbieter von Girokonten mit Überziehungsmöglichkeit oder Darlehensgeber jeglicher Art, wie z.B. im Zusammenhang mit Immobilienfinanzierungen) wird zu einer erhöhten Anfrage von Verbrauchern bei den entsprechenden Schuldnerberatungsdiensten führen.

Nach der aktuell geltenden Gesetzeslage haben die Darlehensgeber bei der Vergabe eines Darlehens mit Überziehungsmöglichkeit die gesetzliche Verpflichtung, selbst eine Beratung nach § 504a BGB anzubieten.

In Absatz 1 heißt es:

„(1) Der Darlehensgeber hat dem Darlehensnehmer eine Beratung gemäß Absatz 2anzubieten, wenn […]“

Nach Artikel 36 Abs. 3 Verbraucherkreditrichtlinie kommt über die eigene Beratungspflicht des § 504a BGB hinaus die neue Verpflichtung, zu verweisen. Und zwar an einen leicht zugänglichen Schuldnerberatungsdienst.

Das BMJV schreibt selbst, dass der Zugang zu einem solchen nur dann als sichergestellt angesehen werden kann, wenn er von Verbrauchern mit „Beratungsbedarf nach diesem Gesetz“ effektiv genutzt werden kann, um finanziellen Schwierigkeiten entgegenzuwirken.

Die Neuregelung ist nur dann effektiv umgesetzt, wenn auch der zeitliche Aspekt eine Rolle spielt und sichergestellt ist, dass Verbraucher nach einem Verweis des Kreditgebers keinen langen Warteschlangen ausgesetzt sind. Geht es doch beispielsweise im genannten Beispielsfall „Girokonto mit Überziehungsmöglichkeit“ um ein Bankprodukt mit besonders hohen Kreditzinsen und Risiken, so dass es tatsächlich auf jeden Tag ankommt, um nicht langfristig in eine Schuldenfalle zu tappen.

c. Sicherstellung eines auskömmlichen Angebots und einer hinreichenden Finanzierung (öffentliche Förderung) erforderlich

Auch unter diesem Gesichtspunkt gilt: Ohne eine massive finanzielle und damit einhergehend auch personelle Aufstockung der Beratungskapazitäten sind die zu erwartenden neuen Aufgaben nicht zu bewältigen. 

Nach Auffassung der Verbraucherzentrale Hessen ist es zu kurz gedacht, auf bestehende Strukturen und insofern auf die bereits existenten fast 1.400 Schuldnerberatungsstellen zurückgreifen zu wollen und in punkto Erreichbarkeit und leichte Zugänglichkeit auf die Gestaltungsfreiheit der Länder zu verweisen.

7. Einheitliche Berichtspflicht erforderlich 

§ 5 Abs. 1 SchuBerDG-E sieht vor, dass die Länder dem Bundesjustizministerium regelmäßig über die Zahl der verfügbaren Einrichtungen für Schuldnerberatungsdienste zu berichten haben. Die Verbraucherzentrale Hessen erinnert, dass zur Darstellung und Bewertung der Überschuldung von privaten Personen aufgrund des ÜSchuldStatG eine jährliche Bundesstatistik durchgeführt wird.

Die Schuldnerberatungsstellen der Verbraucherzentrale Hessen nehmen freiwillig an der Datenerhebung teil und übermitteln ihre Daten über eine Schnittstelle der von ihnen verwendeten Schuldnerberatungssoftware.

Die Verbraucherzentrale Hessen fordert zur Vermeidung einer weiteren Statistik und zur Erhebung verlässlicher qualitativer und quantitativer Daten die Implementierung der Berichtspflicht in die Bundesstatistik mit einer verpflichtenden Teilnahme der Schuldnerberatungsstellen.

Hierfür ist eine Evaluation der aktuellen Datenerhebung Voraussetzung, da die Bundesstatistik bisher nur vollständige Datensätze akzeptiert und somit nicht alle Beratungsfälle aus der Schuldnerberatungsrealität abbildet. Die verpflichtende Meldung zur Bundesstatistik soll über einen barrierefreien Zugang und ohne Softwarezwang ermöglicht werden.

Stand: 17.7.2025


[1] Verbraucherkreditrichtlinie EU-2023/2225 ), L_202302225DE.000101.fmx.xml

[2] Artikel 3 Nr. 22 bestimmt den Begriff Schuldnerberatungsdienste folgendermaßen: “Schuldnerberatungsdienste“ die individuelle fachliche, rechtliche oder psychologische Unterstützung, die ein unabhängiger professioneller Akteur, bei dem es sich insbesondere nicht um einen Kreditgeber oder einen Kreditvermittler im Sinne der vorliegenden Richtlinie oder um Kreditkäufer oder Kreditdienstleister im Sinne von Artikel 3 Nummern 6 und 8 der Richtlinie (EU) 2021/2167 des Europäischen Parlaments und des Rates ( 27) handelt, einem Verbraucher leistet, der Schwierigkeiten bei der Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen hat oder haben könnte.

[3] Hervorhebung hinzugefügt

[4] Siehe Referentenentwurf SchuBerDG, Seite 2, D

[5] Im Referentenentwurf ist bislang nur von „unabhängigen“ Diensten die Rede.

[6] Laut Erwägungsgrund (81) sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Schuldnerberatungsdienste, die von unabhängigen professionellen Akteuren erbracht werden, Verbrauchern direkt oder indirekt und mit nur begrenzten Entgelten zur Verfügung gestellt werden. Diese Gebühren sollten grundsätzlich nur die Betriebskosten decken und keine unnötige Belastung für die Verbraucher darstellen, die Schwierigkeiten haben oder haben könnten, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

[7] Referentenentwurf SchuBerDG, II., Seite 7

[8] Siehe Koalitionsvertrag CDU/CSU, SPD vom 6.5.2025, 1290, Seite 40, https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitionsvertrag2025.de/files/koav_2025.pdf 

[9] Siehe dazu Ziffer 3.

[10] https://www.agsbv.de/wp-content/uploads/2023/06/2023_Erhebung_Schuldnerberatung_Fruehjahr.pdf 

 

Teilverkauf der eigenen Immobilie: Konditionen und Kosten transparent und verständlich machen

Sachverhalt

Für viele Immobilienbesitzer ergibt sich mit dem Eintritt in die Rente ein Problem: Die Altersvorsorge ist im Eigenheim gebunden. Steigende Lebenshaltungskosten und der Kaufkraftverlust der Alterseinkünfte sind für sie Themen von großer Relevanz. Für notwendige Sanierungen der Immobilie, Umbauten für seniorengerechtes Wohnen oder die kleinen Freuden im Alltag fehlt oftmals das Geld. Seniorinnen und Senioren suchen nach einer Möglichkeit, um mit der eigenen Immobilie das Leben zu finanzieren. 
Spezialisierte Anbieter versprechen Immobilieneigentümern, an Cash zu kommen, gleichzeitig weiter in der geliebten Immobilie wohnen zu können und an ihrer Wertsteigerung teil zu haben. Überforderte Verbraucher schließen komplexe notarielle Verträge mit sehr weitreichenden Folgen ab. 

Erste Unternehmen, die den Teilkauf anbieten, wurden 2018 gegründet. Seit dem wächst der Markt rasant und wird stark beworben.

Aus unserer Sicht ist es dringend geboten, diesen Markt stärker zu regulieren. 

Wir fordern daher 

eine gesetzliche Vorschrift, die folgende Punkte enthält:  

  • Ausreichend Entscheidungszeit anhand von Unterlagen: Vier Wochen vor dem Beurkundungstermin Aushändigung der vollständigen Vertragsunterlagen.
  • Keine Kostenfolge: Bis zur Anberaumung des Notartermins dürfen für Verbraucherinnen und Verbraucher keine verpflichtenden Kosten aus dem Vertrag anfallen.
  • Warnhinweis: Klarer, verständlicher und hervorgehobener Hinweis darauf, dass die Immobilie nach dem Teilverkauf gegebenenfalls nur mit Zustimmung oder Mitwirkung des Teilkäufers an Dritte verkauft werden kann.
  • Warnhinweis: Klarer, mit Beispielsrechnungen ausgestatteter Hinweis, dass die Verbraucher dem Teilkäufer im Falle des Verkaufs (oder Rückkaufs) einen Mindesterlös garantieren.
  • Unwiderrufliche Vollmachten: Auflistung aller vertraglich vorgesehenen Vollmachten und Untervollmachten mit Kurzerklärung über der Konsequenzen bzw. inhaltliche Reichweite
  • Kosten: Auflistung aller vertraglichen Kosten
    • Kosten, die bei Vertragsabschluss auf jeden Fall anfallen (in absoluter Größenordnung)
    • Kosten, die anfallen, aber deren absolute Größenordnung noch nicht feststeht (in relativer Größenordnung)
    • Kosten, die eventuell anfallen können (z.B. für Renovierungs- und Verschönerungsmaßnahmen beim Endverkauf)
       

Wir appellieren an die Finanzindustrie: 

Regional und überregional tätige Banken und Sparkassen sollten Kredite, wie Tilgungsaussetzungsdarlehen, für Seniorinnen und Senioren mit eigenen Häusern und Wohnungen anbieten.  

Extrarente: Verbrauchern ermöglichen, auf einfache und transparente Weise Vorsorgevermögen aufzubauen

Sachverhalt

Verbraucher, die ihren Lebensstandard auch im Alter halten wollen, sind Stand heute auf eine betriebliche und private Zusatzvorsorge angewiesen. Das Problem: Weder die staatlich geförderter Riester-Rente noch die betriebliche Altersvorsorge funktionieren.

Viele Riester-Verträge sind teuer und werfen nur wenig Rendite ab. Die staatliche Förderung wird von Anbietern häufig im Marketing und im Vertrieb genutzt, um die angeblichen Vorteile der Riester-Förderung in den Vordergrund zu stellen. Dabei hat die Förderung erhebliche Nachteile: Lediglich die eingezahlten Beiträge und die Förderung müssen zum Rentenbeginn garantiert werden. Zum anderen müssen die Einnahmen aus der Riester-Rente im Rentenalter voll versteuert werden. Ohne Förderung in der Einzahlungsphase wäre die Riester-Vorsorge für Verbraucher daher häufig ein Minusgeschäft.  

Auch die betriebliche Altersvorsorge funktioniert an vielen Stellen nicht. So schwächt das System der Bruttoentgeltumwandlung direkt die gesetzliche Rente. Zudem: Verbraucher, die den Arbeitgeber wechseln, müssen meist neue Verträge abschließen, also nochmals Abschluss- und Vertriebskosten zu Lasten der Rendite bezahlen.

Die Lebensstandardsicherung muss für Verbraucher wieder zum Regelfall werden. So lange die gesetzliche Rente dieses Ziel nicht alleine erreicht, müssen die betriebliche und die private Altersvorsorge so verbessert werden, dass Verbraucher auf einfache und transparente Weise Vorsorgevermögen aufbauen können. Im Mittelpunkt muss dabei die Einführung einer Extrarente auf Basis eines öffentlich-rechtlich organisierten Vorsorgefonds stehen, der eine breit diversifizierte und kostenarme Anlage in Aktien ermöglicht.

Unsere Forderung

Wir fordern die Einführung der Extrarente auf Basis eines öffentlich-rechtlich organisierten Vorsorgefonds.

Altersvorsorge: Standmitteilungen standardisieren, Verwirrung vorbeugen

Sachverhalt

Die Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentralen haben in der Vergangenheit vom Gesetzgeber eine transparente Standmitteilung für alle Vorsorgeprodukte gefordert. Herausgekommen ist die heutige Normierung in § 155 VVG.

In der Realität hat dies die Irritationen auf Seiten der Versicherungskunden nicht beseitigt. Als Beispiel: Eine Verbraucherin zahlt seit Jahren in zwei Kapitallebensversicherungen ein. Jetzt möchte sie wissen, welche besser dasteht. Die jährlichen Standmitteilungen sollen darüber Auskunft geben. Diese sind in der Aufarbeitung und Information jedoch nicht deckungsgleich. Es fehlt eine verbindliche Standardisierung.

Der Gesetzgeber hat in § 155 Abs. 1 VVG keine Vorgabe für die Reihenfolge der Informationen gemacht. Was vielfach zur Verwirrung der Kunden führt, ist, dass der Gesetzgeber den Versicherungen in § 155 Abs. 2 Satz 1 VVG sehr viele Freiheiten gegeben hat. So ist dort festgeschrieben: „Weitere Angaben bleiben dem Versicherer unbenommen.“ Zudem kann gemäß § 155 Abs. 2 Satz 2 VVG „die Standmitteilung mit anderen jährlich zu machenden Mitteilungen verbunden werden.“

Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft hat zwecks Standardisierung ein Muster ins Netz gestellt1. Aber der freie Markt richtet es nicht: Die Versicherer verwenden dieses Muster nicht. Vielmehr werden freiwillige Angaben mit Pflichtangaben vermischt, die Vergleichbarkeit leidet deutlich.

Es sollte dem Gesetzgeber möglich sein, analog zu § 7 a AltZert G oder analog zu den Vorgaben für das Vermögensanlageninformationsblatt in § 13 VermAnlG strikte Vorgaben zu implementieren.

Unsere Forderung

Der Normtext des § 155 Abs. 2 VVG soll gestrichen werden. Stattdessen muss per Vorgabe eine feste Reihenfolge der Pflichtangaben des Abs. 1 vorgeschrieben werden.


https://www.gdv.de/de/ueber-uns/unsere-services/musterbedingungen-23924

Berufsunfähigkeit: Finanzielle Risiken abfedern

Sachverhalt

Wer nach dem 1.1.1961 geboren ist, hat bei Berufsunfähigkeit keinen Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung (siehe § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Diese Regelung trat 2002 in Kraft[1] . In den Motiven heißt es, die Rente wegen Berufsunfähigkeit sei zunehmend in die Kritik geraten, da sich diese zu einer Prestigerente für Versicherte mit besonderer Qualifikation in herausgehobenen Positionen entwickelt habe.[2] Gemeint war wohl, dass man eine Ungleichbehandlung zwischen gelernten und ungelernten gesetzlich Rentenversicherten beseitigen wollte. Ungelernte konnten nicht berufsunfähig werden, sie hatten im Sinne der alten Regelungen[3] keinen Beruf.

Die Konsequenz daraus ist: Langfristig haben alle Versicherten der Deutschen Rentenversicherung nur noch Ansprüche bei Erwerbsunfähigkeit. Das Risiko Berufsunfähigkeit  wurde für alle ab dem 2.1.1961 Geborenen dem Versicherungsmarkt anheim gegeben und unterliegt dem selektierenden Marktgeschehen.

Nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale Hessen aus vielen Gesprächen mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, ist dieser Verlust sozialer Absicherung in der Bevölkerung nicht unbedingt bekannt.

Gerade die Jahrgänge, die jetzt Mitte 50 sind, kennen in ihrem Umfeld noch Bezieher von Leistungen bei Berufsunfähigkeit nach altem Recht: bei 100 % Berufsunfähigkeit eine halbe Erwerbsminderungsrente. Sie wissen nicht unbedingt, dass sie sich spätestens 2002 hätten privat versichern müssen, um bei Berufsunfähigkeit eine Rente zu erhalten.

Aber hätten sie überhaupt eine private Police abschließen können? War der Versicherungsmarkt 2002 anders als heute?

Ja, damals hätten die Versicherungsunternehmen noch einen Orchestermusiker versichert, hätten einem Dachdeckermeister, einem Koch, einer Schaufensterdekorateurin ein bezahlbares Angebot unterbreitet.

Das Herausnehmen einer Absicherung aus dem gesetzlichen Sozialsystem ist 2002 nicht ausreichend kommuniziert worden. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hat damals auf ihre Website nur die rechtlichen Grundlagen dargestellt.[4]. Auch die Verbraucherzentrale Hessen hat die Zäsur nicht zum Thema in der Öffentlichkeit gemacht.

Für Berufsgruppen, die künstlerische Fähigkeiten, Kreativität oder schwere körperliche Arbeit voraussetzen, gibt es jedenfalls heutzutage keine oder keine wirtschaftlichen Versicherungsangebote. Sofern es für diese Berufsgruppen überhaupt Angebote gibt, sind diese mit einem normalen Einkommen aus diesen Berufen nicht bezahlbar.

 Unsere Forderung

  • Für sehr gefährdete Berufsgruppen sollte die Berufsunfähigkeit wieder über die gesetzliche Rentenversicherung möglich sein.
  • Der Gesetzgeber sollte eine Verordnung erlassen, wonach die Versicherungsaufsicht die Versicherungsunternehmen dazu anhalten kann, bei der Risikobewertung von Berufsgruppen Cluster einzuführen und diese zu beobachten, analog den Vorschriften zur Privaten Krankenversicherung.[5]

Basiskonten oft teurer als herkömmliche Konten: Angemessenes Entgelt definieren

Sachverhalt

Nach der gesetzlichen Einführung des Basiskontos im Juni 2016 stellten die Verbraucherzentralen fest, dass Basiskonto­modelle für Verbraucher in der Regel teurer sind als herkömmliche Kontomodelle. 

Der bisherige Wortlaut der Norm im Zahlungskontogesetz bietet weder für die BaFin noch für die Gerichte eine hinreichend konkrete Regelungsgrundlage, um feststellen zu können, ob ein Entgelt noch angemessen ist oder nicht (§ 41 Absatz 2 ZKG). Die ohnehin schon teuren Basiskonten sind im vergangenen Jahr noch teurer geworden. Dies ist das Ergebnis einer Erhebung der Stiftung Warentest Ende 2022.

Unsere Forderung

Eine Kostenklausel soll ein angemessenes Entgelt absichern. Sie muss das Kriterium „angemessen“ klarer legal definieren - ohne das Entgelt festzulegen.

Finanzvermittlung: Aufsichten bei der BaFin bündeln

Sachverhalt

Verbraucher sind darauf angewiesen, dass Finanzmärkte funktionieren und nicht selbst zur Gefahr werden, etwa indem systematisch schlechte Verträge verkauft werden. Dafür braucht es neben adäquaten gesetzlichen Vorgaben eine wirksame Finanzaufsicht, die bei Gesetzesverstößen durchgreift.

Stand heute können sich Verbraucher nicht darauf verlassen, dass Finanzprodukte und Vertriebe nach einheitlich hohen Standards beaufsichtigt werden. So ist beispielsweise die BaFin nur für bestimmte Teile des Finanzmarkts zuständig. Darüber hinaus ist das Handlungsmandat der BaFin gesetzlich beschränkt. Der Vertrieb von Versicherungen und Finanzanlagen durch Vermittler wird beispielsweise von den Industrie- und Handelskammern oder den Gewerbeämtern beaufsichtigt. Häufig müssen Ermessensentscheidungen getroffen werden. Verbraucher schützende Regeln werden nur in Ausnahmefällen von Behörden überwacht.

Um die Finanzaufsicht in Deutschland zu verbessern muss die Aufsicht über den Vertrieb von Finanzanlagen und Versicherungen bei der BaFin gebündelt werden. Gleichzeitig muss die BaFin auch für digitale Geschäftsmodelle zuständig sein und Vorgaben zum Datenschutz überwachen.

Unsere Forderung

Wir fordern eine Aufsicht über den Vertrieb von Finanzanlagen und Versicherungen, die bei der BaFin gebündelt ist.

Goldlager leer?  Überprüfung von unabhängigen Dritten verpflichtend machen

Sachverhalt

Die Lagerung von Gold ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kritisch. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung für Goldhändler, unabhängige Dritte, wie beispielsweise Wirtschaftsprüfer, in ihre Lager zu lassen - und dies trotz einiger Goldskandale in den letzten Jahren und trotz vermehrter Nachfrage nach Goldanlagen. Nach Medienberichten (Handelsblatt vom 08.12.2020) haben im Fall PIM Gold GmbH aus Heusenstamm erst der Insolvenzverwalter und die Staatsanwaltschaft festgestellt, wie viel Gold tatsächlich fehlte.

Der Hype auf Gold ist ungebrochen. „Vier von zehn Anlegerinnen und Anlegern haben schon in Gold oder andere Edelmetalle investiert oder können es sich vorstellen“, so die BaFin auf ihrer Website (Stand 06.12.2020). Gleichzeitig warnen Vertreter der BaFin in einem ebenfalls am 06.12.2020 veröffentlichten Interview auf der BaFin-Website: „Insgesamt rate(n) (wir) allen, die über ein Edelmetallinvestment nachdenken, Anbieter und Angebote sehr kritisch unter die Lupe zu nehmen. Das gilt für den Kauf genauso wie für die Lagerung.“

Goldlagernde Händler in Deutschland sind keiner gesetzlichen Auflage unterworfen sind, in regelmäßigen Abständen den Ein- und Ausgang von Barren und Münzen in ihren Lagern von fachkundigen externen unabhängigen Dritten überprüfen zu lassen. Es reicht nicht aus, dass einige Goldhändler sich freiwillig Prüfungen unterziehen: Die ganze Branche muss durch eine einheitliche Regelung in der Ausübung ihres Berufes verpflichtet werden.

Unsere Forderung

Gold und weitere definierte Edelmetalle verwahrende Gewerbetreibende müssen gesetzlich verpflichtet werden, Testate unabhängiger Dritter wie beispielsweise Wirtschaftsprüfer einzuholen und zu veröffentlichen.

Kein Widerrufsrecht bei Bürgschaften? Darlehensnehmer aktuell besser geschützt als Bürge

„Ein Bürge hat kein Widerrufsrecht gemäß § 312g BGB“, so der BGH (Urteil vom 22.09.2020 – XI ZR 219).

Mit diesem aktuellen Urteil hat der BGH Verbraucher in ihrer Stellung als Bürge in einer Haustürsituation oder im Fernabsatz schutzlos gestellt. Die rechtliche Entwicklung hin zu dieser höchstrichterlichen Entscheidung ist im Zickzack verlaufen: In der Vergangenheit war es durchaus möglich, dass ein Bürge seine in entsprechend vorliegenden Situationen abgegebene Bürgschaftserklärung widerrufen konnte.

Aus Sicht des Verbraucherschutzes ist die rechtliche Situation nach der BGH-Entscheidung sehr unbefriedigend. Es besteht eine bedeutsame Regelungslücke.

Die Privilegierung des Verbrauchers als Darlehensnehmer im Vergleich zu jener als Bürge ist schwer verständlich und schwer vermittelbar.

Unsere Forderung

Wir fordern, die zivilrechtliche Regelung des § 312g BGB so zu novellieren, dass Verbraucher in Situationen wie Haustürgeschäfte und Fernabsatzgeschäfte im Recht auf Widerruf dem Darlehensnehmer gleichgestellt sind.

Ein Mann und eine Frau sitzen vor einem Laptop, auf dem Bildschirm die Seite des Bundesjustizamts

Klage gegen Stromio: Ins Klageregister eintragen

Sie wollen sich an der Musterfeststellungsklage gegen Stromio, den Geschäftsführer sowie den Mutterkonzern beteiligen? Dann müssen Sie sich ins Klageregister des Bundesamts für Justiz eintragen. Wir zeigen, wie das geht, und stellen einen Mustertext für Ihre Begründung zur Verfügung.
Die nächsten Schritte: Ein Kalender, farbige Pins markieren einzelne Tage

Klage gegen Stromio: Das sind unsere nächsten Schritte

Bei einer Musterfeststellungsklage zieht ein Verband wie die Verbraucherzentrale Hessen für viele Betroffene gleichzeitig vor Gericht. Von dem erstrittenen Urteil oder dem erzielten Vergleich profitieren dann alle, die sich an der Klage beteiligt haben, gleichermaßen.
Jemand erklärt etwas, im Hintergrund schemenhaft sitzendes Publikum

Klage gegen Stromio: Das sind Ihre Vorteile

Lesen sie hier, welche Vorteile es haben kann, wenn Sie sich unserer Musterfeststellungsklage gegen die Stromio GmbH anschließen.