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Produkte mit Bitterstoffen – unnötig bis bedenklich

Stand:
Sprays, Pulver, Kapseln, Saft-Shots oder Tropfen: Es gibt immer mehr Produkte mit Bitterstoffen. Eine Marktstichprobe der Verbraucherzentrale Hessen zeigt: Die Trendprodukte sind verhältnismäßig teuer und enthalten oft bedenkliche Inhaltsstoffe.
Jemand träufelt aus einer Pipette eine dunkle Flüssigkeit auf einen Löffel

Das Wichtigste in Kürze 

  • Die Verbraucherzentrale Hessen untersuchte 15 Produkte mit Bitterstoffen im stationären Einzelhandel.
  • Alle Produkte bestehen aus Mischungen verschiedener Pflanzenstoffe. Zur Kombination verschiedener Pflanzenextrakte fehlen Daten zur Sicherheit.  
  • Werbeversprechen kritisch hinterfragen: Es gibt keinen Bedarf oder Mangel an Bitterstoffen und ob sie beim Abnehmen helfen, ist fraglich.
  • Eine ausgewogene Ernährung mit Lebensmitteln wie Rosenkohl, Chicorée, Zitrusfrüchten und Co. ist frei von bedenklichen Inhaltsstoffen und liefert neben Bitterstoffen weitere wertvolle Inhaltsstoffe wie Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. 
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Produkte mit Bitterstoffen liegen im Trend 

Im Handel werden vermehrt Nahrungsergänzungsmittel bzw. Supplements, Säfte oder Pulver mit Bitterstoffen angeboten. Meist bestehen diese aus Mischungen verschiedener Pflanzenextrakte. Für eine Marktstichprobe hat die Verbraucherzentrale Hessen 15 Produkte, die mit dem Begriff „bitter“ werben, im Sommer 2025 im stationären Einzelhandel geprüft. Ausgewertet wurden Inhaltsstoffe, Werbeversprechen und Preis. Pflanzliche Arzneimittel wurden nicht berücksichtigt.

Was steckt in den Bitter-Produkten? 

Die Produkte werden in unterschiedlichen Formen angeboten: als Tropfen, Spray, Kapseln, Pulver, Saft oder Flüssigkeit zum Einnehmen oder Einrühren in Getränke. Häufig verwendete Zutaten sind Löwenzahn, Enzianwurzel, Artischocke, Kurkuma oder Ingwer. Die Mengen der enthaltenen Pflanzenstoffe werden zum Teil in Prozent, zum Teil in Milligramm angegeben. Auf einigen Produkten fehlen sie ganz oder werden nur für einzelne Pflanzen- oder Bitterstoffe aufgeführt. Das erschwert Verbraucherinnen und Verbrauchern den Vergleich unterschiedlicher Produkte und bewusste Kaufentscheidungen. 

Fast alle Produkte (13 von 15) enthalten Wermut. Bei sechs Produkten reichen die Mengen von 1,2 bis 112 Milligramm „Wermutkraut“ oder „Wermutkraut-Extrakt“ je empfohlener Tagesdosis. Bei sieben Produkten fehlen detaillierte Mengenangaben in Milligramm. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine gesundheitliche Bewertung für Wermutkraut in Nahrungsergänzungsmitteln wegen fehlender Daten nicht möglich. Die Verbraucherzentrale Hessen rät, sicherheitshalber auf wermuthaltige Produkte zu verzichten. Insbesondere für Schwangere, Stillende und Kinder sind Produkte mit Wermut nicht geeignet. 

Alle 15 Produkte bestehen aus Mischungen unterschiedlicher Pflanzenstoffe. Insbesondere zur Kombination verschiedener Pflanzenextrakte fehlen Daten zur Sicherheit. Die Mischungen dieser Stoffe sind bezüglich der Neben- und Wechselwirkungen nicht geprüft. Die Verbraucherzentrale Hessen rät daher vom Konsum solcher Produkte ab.

Ein Bedarf an Bitterstoffen ist nicht bekannt 

Ein Hersteller behauptet, es sei schwierig, den „Bedarf an Bitterstoffen“ über die Ernährung zu decken, da Bitterstoffe aus vielen Lebensmitteln herausgezüchtet würden. Ein täglicher Bedarf an Bitterstoffen ist jedoch nicht bekannt, ebenso wenig wie gesundheitliche Folgen einer – vermeintlich – zu geringen Aufnahme. 

Zwar enthalten einige Gemüse- und Obstsorten durch gezielte Züchtung weniger Bitterstoffe. Mit bitter schmeckenden Lebensmitteln wie Rosenkohl oder Chicorée können dennoch jede Menge Bitterstoffe und zudem weitere sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe aufgenommen werden. Erzeugermärkte oder der Biohandel bieten zum Teil bitterere Sorten an. 

Etwa die Hälfte der Produkte (7 von 15) soll das allgemeine Wohlbefinden unterstützen. Es gibt jedoch keine Belege, dass Bitterstoffe das Wohlbefinden beeinflussen können.

Bitterstoffprodukte – Helfer für die Verdauung?

Fünf Produkte bewerben sich als Verdauungshelfer. Drei Hersteller empfehlen ihr Nahrungsergänzungsmittel zur Unterstützung bei schweren oder unregelmäßigen Mahlzeiten. Zwar gelten Bitterstoffe in Gemüse, Obst und Co. als verdauungsfördernd. Ob das auch für die isolierten Pflanzenstoffe und Mengen in den Bitterprodukten zutrifft, ist unklar. Anders als bei traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln handelt es sich bei Nahrungsergänzungsmitteln, Säften und Co. nicht um standardisierte Extrakte. Zwei weitere Produkte werden „nach einer Mahlzeit“ empfohlen. So heißt es: „Statt Espresso nach der Mahlzeit lieber wertvolle Bitterstoffe“ – obwohl auch Espresso Bitterstoffe enthält.

Bei gesundheitlichen Problemen im Bereich des Magen-Darm-Trakts sollten Nahrungsergänzungsmittel mit Bitterstoffen nicht ohne ärztliche Rücksprache eingenommen werden. Bei Magengeschwüren, Beschwerden des Zwölffingerdarms, Gallensteinen oder Übersäuerung des Magens sollten keine bitterstoffhaltigen Nahrungsergänzungsmittel eingenommen werden. Ein entsprechender Hinweis findet sich auf keinem der erfassten Produkte, wäre aber wünschenswert.

Süß statt bitter

Zwei Produkte tragen die Angabe „Anti-Naschen“, bestehen jedoch größtenteils aus Wasser und süßendem Fruchtsaft oder Blütenhonig. Das hat wenig mit „Anti-Naschen“ zu tun. Insgesamt enthält fast ein Drittel (4 von 15) der „Bitter“-Produkte zu einem großen Teil süßende Zutaten wie Zucker, Honig oder Fruchtsaft. 
Ein Hersteller wirbt zudem mit widersprüchlichen Angaben: An einer Stelle wird das Wildkräuter-Elixier „Nach dem Essen“ als „Anti-Naschen“ beworben, an anderer Stelle als „Aperitif“, der jedoch traditionell vor dem Essen zum Appetitanregen serviert wird.

Hoher Preis für wenig Nutzen 

Die Kosten für die erfassten Produkte liegen zwischen 2,85 Euro und 14,99 Euro. Eine Packung reicht je nach Hersteller für einen Tag bis maximal zweieinhalb Monate. Zwei Drittel der Produkte (10 von 15) sind nach etwa zwei Wochen oder in kürzerer Zeit aufgebraucht. Die Produkte bieten keinen Mehrwert gegenüber einer ausgewogenen Ernährung mit bitterstoffreichen Lebensmitteln. Aus Sicht der Verbraucherzentrale Hessen ist es sinnvoller, die Kosten für die Trendprodukte zu sparen und in hochwertige Lebensmittel zu investieren.  

Fazit 

Die erfassten Bitter-Produkte bestehen aus Mischungen verschiedener Pflanzenstoffe. Kombinationen unterschiedlicher Pflanzenstoffe sind bezüglich der Neben- oder Wechselwirkungen nicht geprüft. Auch zu einzelnen Inhaltsstoffen wie Wermut fehlen Daten zur Sicherheit. 

Werbebotschaften sollten Sie kritisch hinterfragen. Es gibt keine Belege, dass Bitterstoffe das Wohlbefinden steigern können oder ein Bedarf besteht. Somit ist auch kein Mangel an Bitterstoffen möglich. Bitterstoffe aus herkömmlichen Lebensmitteln können positive Wirkungen haben. Ob das auch auf die Bitterstoffe und Mengen in Trendprodukten zutrifft, ist unklar. Wirknachweise beziehen sich meist auf genau definierte Extrakte einzelner Stoffe. Außerdem: Fast ein Drittel der Produkte (4 von 15) besteht aus süßenden Zutaten wie Zucker, Honig oder Fruchtsaft. Im Internet wirbt der eine oder andere Hersteller damit, dass Bitterstoffe beim Abnehmen helfen können. Wir haben für diese Behauptung keine seriösen Belege gefunden.

Wer Bitterstoffe in seinen Speiseplan einbauen möchte, kann zu Chicorée, Artischocken, Kohl, Rucola, Hülsenfrüchten wie Erbsen oder Mungobohnen, aber auch zu Zitrusfrüchten, Walnüssen, Kaffee, grünem und schwarzem Tee greifen. Diese Lebensmittel liefern darüber hinaus weitere sekundäre Pflanzenstoffe, Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. Für die positiven Wirkungen von sekundären Pflanzenstoffen spielen zudem vermutlich der Verbund im ganzen Lebensmittel und die Kombination mit weiteren Inhaltsstoffen eine wichtige Rolle. 

Vorsicht: Bitter schmeckende Zucchinis, Gurken oder Kürbisse nicht essen! Hier sorgen giftige Pflanzenstoffe, die Cucurbitacine, für den bitteren Geschmack.