Seit Anfang September wenden sich vermehrt Mainova-Kunden an die Verbraucherzentrale Hessen, die sich mit teils stattlichen Nachforderungen im Zusammenhang mit den im Jahr 2023 gewährten Gaspreisbremsen-Entlastungen konfrontiert sehen. Die Beträge werden pauschal geltend gemacht. Die Zusammensetzung bleibt völlig unklar und es wird nicht erläutert, welche Berechnungen zur Nachforderung geführt haben. Die Verbraucherzentrale Hessen empfiehlt betroffenen Kunden, Nachforderungen zu widersprechen und den Lieferanten aufzufordern, Rechts- und Berechnungsgrundlage zu benennen.
Eine Rechnung im Briefkasten sorgt ohnehin schon nicht für Begeisterungsstürme bei den Empfängern – wenn diese dann auch noch unerwartet kommt, ist der Schreck noch größer. So erging es auch Familie A. aus Bürstadt, die von der Mainova AG die Mitteilung erhielt, dass in den nächsten Tagen rund 600 Euro vom Konto abgebucht werden. Im Betreff des Schreibens heißt es schlicht „Nachberechnung vom 01.01. bis 31.12.2023“)“. In der Folge wird auf eine „gesetzlich vorgeschriebene externe Wirtschaftsprüfung“ verwiesen. Weitere Einzelheiten zur „jeweiligen Beitragsermittlung“ soll den „beigefügten Berechnungsnachweisen“ zu entnehmen sein. Doch solche Nachweise sucht Familie A. vergebens. In der Anlage wird lediglich der Abrechnungszeitraum und der pauschale „Korrekturbetrag Preisbremse“ angegeben.
Auch bei Ulrich S. aus Frankfurt wurde die Abbuchung von 130 Euro angekündigt. Doch auch ein weiterer Satz im Schreiben machte ihn stutzig. „Wir werden Ihnen die entsprechende Differenz auszahlen und bedanken uns für Ihr Verständnis“, hieß es da. Herr S. war unsicher, ob er sich nun freuen oder ärgern soll. Herr S. fragte direkt nach und erhielt als Antwort wenig Erhellendes. Mainova habe die Preisbremsen-Berechnungen ordnungsgemäß und gemäß den gesetzlichen Vorgaben durchgeführt. Dies sei auch im Rahmen der Testierung durch einen Wirtschaftsprüfer bestätigt worden. Dennoch könne es „in Einzelfällen aufgrund aktualisierter Daten, die im Zuge dieser Prüfung berücksichtigt wurden, zu einer entsprechenden Nachberechnung kommen“.
Auch Herr B. aus Bad Vilbel hakte bei der Mainova nach, da er aufgrund der spärlichen Angaben im Schreiben zunächst einen Betrugsversuch witterte. Doch er erhielt eine ganz ähnliche Antwort mit dem Zusatz: „Die Nachberechnung ist kein Fehler, sondern Teil des gesetzlich vorgesehenen Prüfprozesses, um maximale Transparenz und Fairness sicherzustellen.“
Nachberechnungen zwischen 60 und 600 Euro
„Die Forderungen bei den uns bislang vorgelegten Fälle belaufen sich auf Beträge zwischen 60 und 600 Euro. Die Verbraucher vermögen nicht nachzuvollziehen, wieso sie mitten im Jahr eine Energierechnung bekommen. Die Beschwerden sind keineswegs auf Hessen beschränkt“, berichtet Peter Lassek, Leiter der Fachgruppe Recht bei der Verbraucherzentrale Hessen.
Energierechnungen müssen einfach und verständlich sein
Rechnungen für Energielieferungen an Endverbraucher müssen aufgrund gesetzlicher Vorgaben einfach und verständlich sein und sind auf Wunsch verständlich und unentgeltlich zu erläutern. „Die uns bislang vorgelegten Nachberechnungen zur Gaspreisbremse entbehren jedoch jeglicher Transparenz und sind in keiner Weise überprüfbar“, so Peter Lassek. „Darüber hinaus erscheinen uns die Nachberechnungen reichlich spät. Richtig ist zwar, dass die Entlastungen seinerzeit nur unter dem Vorbehalt einer späteren Rückforderung gewährt wurden. Dies hätte allerdings unserer Auffassung nach bis spätestens Mitte 2024 passieren müssen." Man denke nur an die vielen Vermieter, die ihre Betriebskostenabrechnung für den Abrechnungszeitraum 2023 bis Ende Dezember 2024 zu erstellen hatten und nun möglicherweise keine Nachzahlungen mehr bei ihren Mietern fordern können.
„Wir raten Verbrauchern derzeit, den Nachforderungsschreiben schriftlich zu widersprechen und konkret nach der Benennung der Rechtsgrundlage zu fragen, aus der sich der angebliche Rückforderungsanspruch ergeben soll. Darüber hinaus sollte ein detaillierter, gesetzeskonformer Berechnungsnachweis gefordert und dabei eine Frist von zehn bis vierzehn Tagen gesetzt werden“, so Lassek. „Kommt innerhalb der Frist keine oder keine nachvollziehbare Antwort, empfiehlt es sich, die Schlichtungsstelle Energie in Berlin anzurufen“. Mehr zu den Voraussetzungen sind in den FAQ der Schlichtungsstelle zu finden.
Hintergrund Energiepreisbremsen
Die Preisbremsen gelten seit dem 1. März 2023 und wirken rückwirkend zum 1. Januar 2023. Die Regelung soll Privathaushalte und Kleingewerbe mit einem jährlichen Verbrauch von bis zu 1.500.000 kWh beim Gas und Wärme und bis zu 30.000 kWh beim Strom entlasten (für Abnehmer größerer Mengen gelten gesonderte Regelungen). Sie zahlen dann für 80 Prozent ihres prognostizierten Jahresverbrauchs 40 Cent pro Kilowattstunde beim Strom, 12 Cent beim Gas und 9,5 Cent bei der Wärme (jeweils brutto). Für die restlichen 20 Prozent des Verbrauchs wird der Preis fällig, der im Vertrag mit dem Anbieter vereinbart ist.