Pflegeunternehmen dürfen den Vertrag der Bewohner:innen kündigen – jedoch nur in Ausnahmefällen. Wir zeigen, unter welchen Bedingungen eine Kündigung durch ein Pflegeunternehmen rechtens ist und wie Sie reagieren können.
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Das Wichtigste in Kürze:
Pflegeunternehmen können den Vertrag nur unter besonderen Bedingungen kündigen
Eine Kündigung durch das Pflegeunternehmen muss immer schriftlich erfolgen und begründet werden.
Bei einer ungerechtfertigten Kündigung sollten Sie die Kündigung als unwirksam zurückweisen.
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Wann kann ein Pflegeunternehmen kündigen?
Anders als Bewohner:innen steht dem Pflegeunternehmen kein ordentliches, sondern nur ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Das bedeutet: Das Pflegeunternehmen kann den Vertrag nur in Ausnahmefällen und bei einem sehr wichtigen Grund kündigen.
Hinzu kommt: Neben dem gewichtigen Grund muss bei einer Kündigung durch das Pflegeunternehmen immer eine besondere Härte gegeben sein. Das heißt, dass es unzumutbar sein muss, den Vertrag fortzuführen.
Der Betrieb wird eingestellt: Wenn ein Unternehmen seinen Betrieb einstellt, stark reduziert oder verändert, kann das eine Rechtfertigung für eine Kündigung sein. Das ist zum Beispiel bei einer Heimschließung, einem Umbau oder einer Minderung der Betreuungsplätze der Fall. Wenn durch die Fortführung des Vertrags das Unternehmen in unzumutbarer Weise belastet würde, können Unternehmer:innen bis spätestens zum dritten Werktag eines Kalendermonats eine Kündigung zum Ende des nächsten Monats aussprechen.
Bei einer Betriebseinstellung muss das Pflegeunternehmen Ihnen eine Ersatzeinrichtung nennen und Ihnen unter bestimmten Umständen die Umzugskosten erstatten. Wenn Ihnen das passiert, sollten Sie sich zu diesen Rechten unabhängig beraten lassen.
Ein:e Bewohner:in verweigert fachgerechte Pflege: Wenn bei einem pflegebedürftigen Menschen durch eine veränderte gesundheitliche Situation der Betreuungs- und Pflegebedarf angepasst werden muss, ist das Pflegeunternehmen dazu verpflichtet, diese Leistungen anzubieten. In der Regel ist das der Fall, wenn der Pflegebedarf steigt und ein höherer Pflegegrad beantragt werden soll.
Wenn die im Pflegeheim lebende Person diese Änderung wiederholt nicht annimmt, auf gesetzte Fristen nicht reagiert und dem Unternehmen deshalb ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar ist, kann es ihn ohne Einhaltung einer Frist kündigen.
Fachgerechte Pflege ist nach gesundheitlicher Veränderung nicht möglich: Wenn im Vertrag mit dem Pflegeheim wirksam festgehalten ist, dass das Unternehmen die Leistungen nach einer gesundheitlichen Veränderung nicht anpassen muss, kann dies ein Kündigungsgrund sein. Allerdings nur, wenn dem Pflegeunternehmen ein Festhalten am Vertrag nicht zuzumuten ist. Ein Beispiel: Eine im Pflegeheim lebende Person wird nach einem Schlaganfall beatmungspflichtig. Die Einrichtung verfügt weder über die technischen Möglichkeiten noch über speziell geschultes Personal und hat deshalb eine entsprechende Pflege im Heimvertrag ausgeschlossen. In so einem Fall kann das Heim ohne Einhalten einer Frist eine Kündigung aussprechen.
Grobe Vertragsverletzung durch Bewohner:innen: Wenn eine im Pflegeheim lebende Person die im Heimvertrag festgelegten Regeln beharrlich ignoriert, kann das Unternehmen ohne Einhalten einer Frist kündigen. Dazu gehören zum Beispiel:
Konstante Missachtung eines Rauchverbots,
sexuelle Belästigung anderer Heimbewohner:innen
Angriffe auf das Pflegepersonal oder
die Zerstörung und Beschädigung von Heimeigentum.
Die Voraussetzung, dass das Fortführen des Betreuungsverhältnisses für das Unternehmen eine unzumutbare Belastung ist, muss für eine wirksame Kündigung auch hier erfüllt sein.
Zahlungsverzug: Wenn eine im Pflegeheim wohnende Person ihre Rechnungen an zwei aufeinanderfolgenden Terminen gar nicht begleicht oder nur so wenig zahlt, dass insgesamt noch mehr als ein Monatsbetrag offen ist, hat das Pflegeheim die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen. Das ist auch der Fall, wenn die im Pflegeheim wohnende Person ihren finanziellen Verpflichtungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht oder nur teilweise nachkommt und so insgesamt mehr als zwei Monatsbeiträge unbezahlt bleiben. Eine Kündigung ist allerdings nur dann möglich, wenn das Unternehmen der im Pflegeheim wohnenden Person eine angemessene Frist setzt und dabei auf die Kündigung hinweist. Die Kündigung kann nicht mehr ausgesprochen werden, wenn das Pflegeheim das Geld noch vor Ablauf der Frist erhält.
Über diese Punkte hinaus kann es weitere, schwerwiegende Gründe geben, die es einem Pflegeunternehmen möglich machen, einen Vertrag zu beenden. Eine Kündigung durch das Pflegeunternehmen muss immer schriftlich ausgestellt und begründet werden. Ein Unternehmen kann den Vertrag im Übrigen nicht kündigen, um eine Entgelterhöhung durchzusetzen. Mehr zur Entgelterhöhung in Pflegeheimen lesen Sie in diesem Artikel.
Was sind die Folgen der Kündigung?
Durch eine wirksame Kündigung endet der Heimvertrag. Das Unternehmen ist nicht mehr verpflichtet, Wohnraum, Pflege und Betreuung anzubieten. Das bedeutet aber nicht, dass die pflegebedürftige Person sofort auf die Straße gesetzt werden darf, wenn sie nicht auszieht oder die Kündigung zurückweist. In diesem Fall muss das Unternehmen zunächst eine Räumungsklage einreichen. Im Rahmen der Klage prüft ein Gericht, ob die Kündigung wirksam ist. Erst wenn darüber ein Urteil vorliegt, kann die Räumung durchgeführt werden.
Ungerechtfertigte Kündigungen zurückweisen
Wenn Sie die Vermutung haben, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt ist, sollten Sie diese als unwirksam zurückweisen. Besonders bei der Frage nach der schuldhaften Verletzung der Heimordnung kommt es in der Praxis immer wieder zu unterschiedlichen Bewertungen. Wir empfehlen, bei Kündigungen durch das Heim eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Dabei helfen Ihnen auch die Berater:innen der Verbraucherzentralen.
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